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Sylvia Plath: Ich habe Angst

Gedichte > Zeitzünder

Sylvia Plath

Aus den Tagebüchern

Northampton, Smith College (1953 - 1955)



Ich habe Angst. Ich bin nicht massiv, sondern hohl. Hinter meinen Augen spüre ich eine taube, gefühllose Höhle, eine Höllengrube, eine foppende Nichtigkeit. Ich habe nie gedacht, nie geschrieben, nie gelitten. Ich will mich töten, will der Verantwortung entkommen, will demütig in den Schoß zurückkriechen. Ich weiß nicht, wer ich bin, wohin ich gehe – und ich bin diejenige, die sich für Antworten und diese scheußlichen Fragen entscheiden muss. Ich sehne mich nach einem eleganten Ausweg aus der Freiheit – ich bin schwach, müde und sträube mich gegen dieses starke konstruktive menschenfreundliche Vertrauen, das die Voraussetzung für einen gesunden, aktiven Intellekt und Willen ist. Ich kann nirgendwohin – nicht nach Hause, wo ich als groteske Idiotín in die Röcke meiner Mutter plärren und weinen würde – nicht zu den Männern, von denen ich jetzt mehr denn je einen strengen, absoluten, väterlichen Rat möchte – nicht in die Kirche, die liberal ist, frei – nein überdrüssig wende ich mich der totalitären Diktatur zu, die mich aus jeglicher persönlicher Verantwortung freispricht und in der ich mich diesem „extravaganten Altruismus“ opfern kann auf dem Altar der guten Sache.

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