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Robert Creeley: Die Tür (The Door)

Gedichte > Gedichte der Woche


Robert Creeley

Die Tür ("The Door")

übersetzt von Susanne Darabas



                                               
                                             für Robert Duncan


Es ist nicht leicht zur Tür zu gehen,
dem kleinen Ausschnitt in der Wand, aus dem
die Vorstellung, ein Widerhall der Einsamkeit,
den Duft wilder Waldblumen mit sich bringt.

Was ich verstand, verstehe ich.
Mein Geist ist manchmal eine Qual,
manchmal gut und voller Leben,
und spürt den Grund.

Doch ich sehe die Tür,
und wusste von der Wand, und wollte zum Wald,
und würde wenn ich könnte dorthin gelangen
auf Füßen und Händen und Gedanken.

Herrin, verbann' mich nicht
für meine Umschweife. Mein Wesen
ist ein Sumpf uneingelöster
Geständnisse. Herrin, ich folge.

Ich verließ mich selbst,
ich ging aus dem Zimmer, ich fand den Garten,
ich erkannte die Frau
darin, bei einander lagen wir.

Tote Nacht vergisst nicht. Im Dezember
verändern wir uns, nicht vervielfacht, nur zerstreut,
wir stahlen uns aus der Kindheit,
dem Ritual der Auflösung.

Gewaltiger Zauber umgibt eine Mutter,
in ihr die stets neue Anlage,
wiederholte Form, Erneuerung des Geschlechts,
die Verantwortung des Befehls.

Der Garten echot durch den Raum.
Er ist in der Wand fixiert wie ein Spiegel,
der dem Fenster hinter dir gegenüberliegt
und die Schatten zurückwirft.

Darf ich jetzt gehen?
Ist es erlaubt mich hinabzubeugen
in der lächerlichen Pose des Erneuerns,
des Bestehens, dessen Tugend ich bin?

Nichts für Dich ist ungehörig.
In Dir wäre auch groß,
noch größer, noch schöner.
Komm zu mir von der Wand, ich möchte mit Dir zusammen sein.

So schrie ich Dich an,
die Du hörst wie der Wind und dich wandelst
vielfach, beständig,
wandelst im Geist.

Zur Türe laufend, lief ich abwärts,
wie eine Uhr abläuft. Ging rückwärts,
stolperte, setzte mich hin,
hart auf den Boden an der Wand.

Wo warst Du.
Wie absurd, wie teuflisch.
Es gibt nichts zu tun als aufzustehn.
Meine Knie waren eisern, ich rostete in Anbetung, für Dich.

Dafür singt man, man
schreibt das Frühlingsgedicht, man macht weiter.
Die Dame ist immer zur nächsten Stadt gezogen
und man stolpert hinter Ihr her.

Die Tür in der Wand führt zum Garten
wo im Sonnenlicht die Grazien
sitzen in langen viktorianischen Kleidern,
von denen Großmutter erzählt hatte.

Die Geschichte singt aus ihren Gesichtern.
Sie sind jung, sie sind zu haben,
und du folgst ihnen ebenfalls
im Dienst für Gott und die Wahrheit.

Aber die Dame ist unergründlich,
sie wird die Türe in der Wand sein
zum sonnenlichtdurchfluteten Garten.
Ich werde für immer weiterreden.

Ich werde nie dorthin gelangen.
Ach Herrin, erinner' dich meiner,
der in Deinen Diensten alt wird,
nicht weise, nicht weiser als zuvor.

Wie kann ich alleine sterben.
Wo werde ich dann sein, der ich nun alleine bin,
was stöhnt so erbärmlich
in diesem Raum in dem ich einsam bin?

Ich werde in den Garten gehen.
Ich werde ein Romantiker sein. Ich werde mich
selbst in der Hölle verkaufen,
und auch im Himmel werd' ich sein.

In Gedanken seh' ich die Tür,
ich seh' das Sonnenlicht vor mir auf dem Boden
wie es mich herbeiwinkt, wenn der Rock der Dame
sich klein dahinter bewegt.



Aus: Robert Creeley: For Love (1962).


Robert Creeley reads and discusses his poem "The Door" in connection to Charles Olson's idea that poets "do what [they] know before [they] know what [they] do" during a lecture for his "Poetry and Magic" series. Herein, Creeley compares poets to "witches," citing his friend Robert Duncan "who answers very directly on these circumstances of experience."

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