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Ming Di: Der Kahn

Gedichte > Gedichte der Woche




Das ist Vergänglichkeit, sagte Konfuzius, als er am Flusse stand.

Der Kahn


ist ein Blatt, gefallen im Herbst
ist ein Schuh, den ein Außerirdischer trug
ist der Mond

ist die Linie zwischen Himmel und Meer
           wo Vögel rasten
ist eine Schwalbe
ist ein übers Wasser wandelnder Stern

ist der verlorene Flügel eines Regenbogens
der das andere Ufer nicht erreichte
ist das Lesezeichen, das mich trennt
          von meinem anderen Ich

ist das aus dem Boot gefallene Schwert
dessen Position die Sonne
mit einer Kerbe im Holz markierte
in der Nacht, siebentausend Meilen entfernt

ist die im Bach vor meinem Haus
am frühen Morgen
vorbeischwimmende Bananenschale


Ming Di (Mindy Zhang): "Der Kahn"
erscheint 2016 in einer Anthologie chinesischer Gedichte,
hrsg. von Lea Schneider, im Verlagshaus Berlin.
Aus dem Chinesischen von Rupprecht Mayer, (Stand 24.4.2015)

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