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Michel Butor: Die Farbe der Augen

Poetik / Philosophie > Glossen

Michel Butor:

Die Farbe des Auges
(aus: Bildnis des Künstlers als junger Affe)


Das Auge macht mich blind für sich selbst, und ich begreife, warum die Alten es so oft mit der Sonne verglichen haben.

Wenn ich jemand nicht richtig ansehe, wenn ich ihn nicht als jemand ansehe, kann ich sein Auge wahrnehmen gleich einem Glasauge, als ein Objekt unter vielen und nicht mehr als die das Innere des Anderen erleuchtende Lichtquelle, die mich in sein Geheimnis einläßt.

Es wundert mich deshalb nicht, daß die Augenfarbe eines der ersten vermerkten Kennzeichen auf Ausweispapieren ist; der Blick des Polizisten, seine Art zu mustern, erlaubt es gerade, die Farbe vom Auge zu trennen; was mich verwirrt, ist die Rolle, die dieses Merkmal für die Beschreibung einer Person in der gängigen Unterhaltung spielt. Es kommt mir vor, als versuche man, diese obsessionelle fragende Pupille so bald wie möglich loszuwerden, indem man sie mit der sie umgebenden Farbe zustopft, die man eingefangen und ein für allemal notiert hat; man sucht Schutz hinter diesem Fleck, man zieht sich hinter diese farbige Karteikarte zurück; man weiß bereits, wie man den Andern, diesen Eindringling »beschreiben« würde, wenn jemals irgend etwas schiefginge, wenn plötzlich etwas anklägerisches Neues in seiner Art zu sehen auftauchte.

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