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Marion Poschmann: Geliehene Landschaften

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Jan Kuhlbrodt

Geliehene Gärten

Zu Marin Poschmanns "Geliehene Landschaften"

Bâshos Grab in Ôtsu
Mücken!
Nur Mücken!


Der Garten, könnte man sagen, ist eine gebaute oder gepflanzte Metapher, und im Garten liegt eine Utopie. Das geordnete Wachstum, das Blühen, der Nutzen im Einklang mit Schönheit; dabei aber schottet sich der Garten nie vollständig ab, wird nicht hermetisch, kann es gar nicht sein, denn er ist Landschaft, egal wie groß er auch ist, in einer noch größeren Landschaft, und dieses Größere, ihn Umgebende, ragt auf verschiedenste Art in ihn hinein, zeigt sich am Rand, bleibt als Himmel präsent.

Die geliehene Landschaft, erfahre ich im neusten Gedichtband von Marion Poschmann, macht aus dieser Not, wenn es eine ist, eine Tugend. Sichtachsen in der Anlage des Gartens implantieren gewissermaßen Momente der größeren Umgebung. Und was der Begriff der „geliehenen Landschaft“ räumlich beschreibt, kann man auch ins Zeitliche kippen.

Auch hier ist Abgrenzung nicht vollständig möglich und jeder Moment zitiert sowohl Vergangenes als auch Kommendes.

Diesem Ineinandergreifen, dieser Dialektik von Abgrenzung und Einfluss geht Poschmann in neun mal neun Gedichten in diesem Band nach.

In jedem Kapitel steht eine urbane Landschaft im Zentrum der Überlegung, der Landschaftsbegriff aber, den Poschmann benutzt, ist nicht der romantisch geprägte, es ist der Autorin bewusst, dass alles, was wir Landschaft nennen, Produkt ist. Als Zeichen vielleicht dient die Plastiktüte, die in den Gegenden immer wieder auftaucht, als Störmoment zuweilen, aber auch als integraler Bestandteil der gartentechnischen Komposition. Und mit diesem letztlich von der Realität erweiterten Gartenbegriff kann Poschmann verschiedenste Räume als Garten, als Landschaft begreifen.

Das beginnt mit dem Bernsteinpark in Kaliningrad, in dem Bären zur Schau gestellt werden, geht über den Lunapark auf Coney Island, dem Kindergarten in Ostberlin und einige weitere Stationen, um letztlich den gedanklichen Ausgangspunkt auch formal einzuholen. Es endet in Meditationen, nämlich über geliehene Gärten.


Die einzelnen Kapitel sind in sich formal durchgestaltet, so dass sozusagen das Beet auch in Strophenbau erkennbar bleibt, man sich durch den Band bewegt wie durch einen Garten.

Und wenn sich im Garten Umgebung und Geschichte verfangen, spiegelt sich hier auch nicht nur die Schönheit. So wie er eine Utopie entwirft, formuliert er auch Kritik.


Marion Poschmann: Geliehene Landschaften. Gedichte. Berlin (Suhrkamp Verlag) 2016. 118 Seiten. 19,95 Euro.

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