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Jean-Paul Sartre: Die Philosophie der Revolution

Gedichte > Zeitzünder

Jean-Paul Sartre

Aus dem Essay

Materialismus und Revolution

1950


Jedes Glied der herrschenden Klasse ist ein Mensch göttlichen Rechtes. In eine Umwelt von Führern hineingeboren, ist er von seiner Kindheit an überzeugt, daß er zum Befehlen geboren ist, und dies ist in gewissem Sinne richtig, weil seine Eltern, die befehlen, ihn gezeugt haben, damit er ihre Nachfolge übernehme. Es gibt eine bestimmte soziale Funktion, die ihn in der Zukunft erwartet - in welche er hineingleitet, sobald er dazu das Alter hat und die gleichsam die metaphysische Wirklichkeit seiner Person ist. Daher ist er in seinen Augen eine Person, d.h. Synthese a priori der Tatsache und des Rechts. Von seinesgleichen erwartet, bestimmt, sie zu gewollter Zeit abzulösen, lebt er, weil er das Recht hat zu leben. Dieser vom Bourgeois für den Bourgeois geheiligte Charakter, der in Zeremonien der Anerkennung offenkundig wird (Gruß, Visitenkarte, Familienanzeige, offizielle Besuche usw.) - das ist es, was man Menschenwürde nennt. Die Ideologie der führenden Klasse ist völlig von dieser Idee der Würde durchdrungen. Und wenn man von den Menschen sagt, sie seien "die Krone der Schöpfung", so muß man das Wort im stärksten Sinne verstehen: Sie sind die Monarchen derselben durch göttliches Recht. Die Welt ist für sie gemacht, das Dasein der Menschen ist der absolute Wert und durchaus dem Geiste genugtuend, die dem Weltall seinen Sinn gibt.


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