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Gerhard Jaschke: bis auf weiteres

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Timo Brandt

Wenn der Schmerz mit vollem Ernst sein Geld in Kalauer investiert



„Des Lebens Sinn

ein Lottogewinn?
Geld allein macht doch
nicht glücklich, aber
es beruhigt schon noch.“

Es gibt Gedichte, denen kann man wenig vorwerfen, außer, dass sie es sich generell zu einfach machen. Ein Gedicht ist kein Trichter, in den man Weisheiten und Allgemeinplätze schreit, und hinten raus kommt eine kunstvolle Darbietung. Wenn ein Gedicht nur ein kluger Gedanke wäre, der in einem Arrangement von Versen geäußert wird, so hätte das Gedicht wenig Faszinierendes an sich und könnte dann und wann der Redekunst zum Verwechseln ähnlich sehen, auch dem Aphorismus stände es gefährlich nah.

Nein, ein wesentliches Element des Gedichts ist das Auszudeutende, das nur leicht, nur lose, mit einem Sinn verschränkt ist – insoweit nämlich, dass es die Willkür in die Schranken weist, aber nicht so deutlich, dass es von seiner eigenen Aussage in die Schranken gewiesen wird.


„Wir werden älter. Bald ist es kälter.
Kommen wir in die Grube hinein
sind Würmer mit uns beschäftigt.

Kein Dreck
3 Kilo Speck
4 Liter Most
zum Trost.“


Dieses Gedicht ist betitelt mit „Nichts Neues“ und das ist schon ein trefflicher Titel. Man hätte die ganze Sammlung „bis auf weiteres“ auch „Nichts Neues“ nennen können, denn hier wird gar nicht so getan, als gäbe es etwas Neues zu sagen, hier wird verwiesen, zitiert, reproduziert, gesonnen und mit den Achseln gezuckt.

So eine Lakonie hat ja auch zunächst etwas Sympathisches, vielleicht sogar einen Funken Rotz. Aber sie nutzt sich schnell ab; besonders, weil man das Gefühl hat, dass die andauernden Umdrehungen auf der Kalauer- und Nostalgiebahn auch nicht wirklich hinterfragt oder in Szene gesetzt werden. Sie sind Produkte einer Dichtung, die bei Beschreibungen, Ideen und Themen stets den Weg des geringsten Widerstands geht und sich dabei auch noch auf eine Vertrautheit oder ein Einverständnis zu berufen versucht, das nicht einfach vorausgesetzt werden kann, aber permanent angesprochen und zum Transportmittel gemacht wird.

„mit der zeit
kommt man darauf,
dass eine flucht
nur mehr
möglich ist
in sein
innerstes“


Nach einer Zeit wird einem bei all den Abzählreimen, runtergeschriebenen Ergründungen und durcheinandergewürfelten Fragmenten, Gedichten und Sprüchen (im ganzen Buch herrscht so etwas wie ein halbe Ordnung – es gibt Kapitel und Überschriften, aber oft sind da nur größere Absätze und man weiß nicht, ob das, was danach kommt, noch zum vorherigen Gedicht dazugehört, ob die Absätze eine Zäsur sind, eine Einteilung, eine Ordnung ...) doch mulmig zumute. Man bemerkt, dass ein gewisses anarchisches Prinzip hinter dem Durcheinander waltet – ein Prinzip, das sich nicht mit all den Wahrheiten, in deren Klammergriff es steckt, abfinden will. Das sich selbst in einem noch so schalen Gedicht Mut zuspricht und doch zur gleichen Zeit resigniert.

„Dass alles in Ordnung
ist
bezweifle ich sehr.

Die Sojafülle der Zucchini
schmeckt wie Faschiertes.

Fleischlos geht vielleicht durchaus.

Mach’s gut, McDreamy!
Schock bei Serien-Fans
Dr. Sheperd, alias Patrick Dempsey
verlässt nach 11 Staffeln „Grey’s Anatomy“.

Und es galoppieren wieder die Fantasien

[…]

Biss auf weiteres.“


Ich bin mir nicht sicher, ob ich die vielen Anspielungen auf zeitgenössische Phänomene und Popkultur, als Anbiederungen lesen soll, ob sie schlicht einem Zynismus entspringen oder einem Gefühl, einer Verpflichtung, die sagt, man müsse immer das aktuelle Geschehen kommentieren … Vielleicht sind alle drei Aspekte gleichermaßen für diese Erwähnungen und Bezugspunkte verantwortlich.

Auch nicht ganz erklären kann ich mir die überall geradezu krampfhaft untergebrachten Wortspiele (z.B. das „Biss auf weiteres“), die so häufig Verwendung finden, dass man glauben könnte, der Autor wolle mit ihnen eine größere poetische Glaubwürdigkeit erlangen, indem er jede Gelegenheit nutzt, die sich auf diesem Gebiet auftut. Ich muss zugeben, dass ich eine Schwäche für Kalauer habe und allzu schnell bereit bin, die Hürde des Bedenkens zu überspringen und eine solche Wortverbindung herzustellen, wenn ich selber schreibe. Aber selbst mir wird es in diesem Band sehr schnell zu viel.

„Ein Wunsch,
der vielleicht
nicht so leicht
in Erfüllung geht:
ein zumindest kleineres
Seerosenbild von Monet.“


Schmerzliches, Enttäuschungen, kleine Kämpfe, kleine Hoffnungen. Das Buch erscheint wie das Protokoll eines unklaren, zum Misserfolg verdammten Widerstandes. Widerstand gegen das Leben, für das Glück oder etwas in der Art. So wenig Platz, so wenig Erwähnungen, den ernsthaften Überlegungen gewidmet! Wo man doch so oft das Gefühl hat, der Ernst tippt diese Zeilen aufs Papier. Nun ja, jeder wie er mag, oder nicht?

Doch, doch, jeder wie er mag. Doch bis auf weiteres macht mir die Laune dieses Bändchens nicht unbedingt Lust auf Lektüre. Wer sich trotzdem mir ihr auseinandersetzen will, dem verspreche ich Verblüffung, Frust, Hohn und dann und wann ein Glucksen, eine entrückte Gedankenwanderung.

„das begehren höret
nimmer auf,
es ist nun mal
der lebenslauf.


Gerhard Jaschke: bis auf weiteres. Gedichte. Horn (Ferdinand Berger & Söhne - Neue Lyrik aus Österreich, Bd. 14) 2016. 64 Seiten. 16,50 Euro.

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