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Dominik Dombrowski: Wasser bin ich

Montags=Text

Dominik Dombrowski


Wasser bin ich

und bin es wie alle die wir reisen / mit dem Golfstrom vielleicht
die Thunfische und die Schildkröten und die Algen und Quallen
alle vorbei an den Korallen den Kinderstuben / die Wanderruten
die den Berufsfischern helfen Fangorte zu vernetzen
und alle ärgern sich wenn im armen Ozean
für die Forscher der Glücksfall scheint nicht immer
nur dem langweiligen Plankton nachzuknabbern
Da wird Wasser so lange ruhig nur Wasser sein bis Pandora
mir ausversehen die Bernsteinmakrele erklärt den Mondfisch
der blöd aber nicht schön ist / die Artenvielfalt wo ich Wasser bin
und nicht selten / sind es seltsame Fabrikschiffe die die Meere
leerräumen denn Schutzzonen so rot und romantisch
müssen stets markiert werden / Wasser bin ich wo einst Atlantis
gelegen haben soll und der Legende nach bin ich Wasser wo
das Meer beginnt und Länder neu entstehen / Wasser bin ich Wasser
war ich / als wir gelobten an den Pulverfässern Familien zu machen
die Inseln die aus den vielen Erdbeben entstanden
mit Brot zu beschenken doch die Bedrohung ist nie vorbei das
Geräusch heißen Magmas rührt vom Schnarchen des Teufels her
In der Tiefsee sind die schwarzen Raucher tätig Wasser / bin ich hier
bei den besonderen Bakterien / dem Ursprung der Geschichte
Kalmare die keine Legenden sind auf den Lippen knicken sie
die Pfeile / ritzen die Haut und die Gruppen schwimmen weit
weg Wasser / bin ich in den Delphindialekten die aggressiv
dem Menschen sogar freundlich erscheinen Fischtragödien
Wasser bin ich an den Ufern der Azoren wer hier überleben will
ist nur noch / größeren Belastungen ausgesetzt / groteske
Krebse verschmähen zwischen ihren Scheren keine Speise
die Gondel weist nie ihre Bettler ab es gibt sie überall
die Pflanzenhappen die befreien / keine Boote keine Beete
mehr Nussschalen sind ein blutiges Geschäft Wasser / bin ich aber
war es / auf immer nie durch deren Hanfseide und Hautfarbe
gekühlt / der Tod dauert / bis zu einer Stunde in seinem Reich
voller Geheimnisse weiß man es ja nie was da so vorgeht vergeht
wenn die größten Zähne auf die größten Augen treffen
In der Tiefsee Wasser bin ich mit keiner Ahnung wer obsiegt
es dauert Jahrtausende und alles / beobachtet sich bei allem
was sich bewegt / Mutter und Kalb / wenn überhaupt
einmal jemand an das geheime Tier herankommt
ist es ein guter Tag Wasser / bin ich da meinen Microcomputer
an einen Wal anzunapfen / im Wunsch dass er bleiben werde
aber misstrauisch trauert hier der Hai und nimmt / den Rechner
mit sich in die Tiefe Wasser / bin ich doch in der Nacht
hat hier alles sein eigenes / Gericht / alles ist speziell / bunt
und ein paar Honiggarnelen tragen Eidechsenfische
in den nächsten Morgen an die Steinküsten graben
Hunderte tauchen in die Felsen der Futterrhythmus
der Tiere wankt Wasser / bin ich die Quellen sind
Grenzgänger sie reifen / ins Meer plötzliche Planktonmassen
Es sind Hotspots / in deren explodierenden Nahrungs-
ketten / Skelette auftauchen wie aus der Gischt kommen
da Echolotsysteme locken / weiter irgendetwas herbei
die Vögel sind erfolgreich Wasser / bin ich wie sie die Luft-
blasen sind werden sie zu Netzen / drängen die Opfer
sich zusammen und warten auf / die Zeichen das Ziel
dann kommen die Möwen auf Besuch / und im Maul
meines Wals werden dann die Reste zur Beute
Ist das eine Verabredung?
Wasser bin ich vor einem halben Jahrhundert zur Seele
geronnen / damals erklang zum Walgenozid
ein Galgenlied / ein Walgenozid ein Wiegenlied Wasser bin ich
dieses Wasser das ich bin? Ich bin berufen
einst ein Ertrinkender zu werden wie alle im Grunde / aus
der Tiefe bin ich die tiefe / hochkommende Welle
eine Kelle Einsamkeit Wasser bin ich das Wasser bis
dass es mich wieder aufnehmen wird / in sein Gedächtnis


(Dominik Dombrowski, Epilog aus „Fermaten“  – Gedichte, Edition Azur, Dresden 2016)
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