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Armin Steigenberger: äpfel und wahrheit

Gedichte > Münchner Anthologie

Armin Steigenberger

äpfel und wahrheit


am anfang waren die äpfel, ach ja
und die gottverdammten neben
bedeutungen dieser äpfel.
sprechen wir über äpfel,
lediglich über sie, wie sie süß und
beispielsweise dunkelrot von italienischen
obstbäumen fallen.



(Armin Steigenberger: die fortsetzung des glücks mit anderen mitteln. Edition Voss im Horlemann Verlag Berlin 2014, S.20)

Tobias Roth


Über Äpfel


Das Gedicht verspricht uns zweierlei, äpfel und wahrheit, beides nichts Geringes, und hieße es oder statt und wäre die Wahl durchaus keine leichte. Bereits die ersten Worte des Gedichtes liefern uns die Folie, vor der die Äpfel erscheinen. Das biblische Zitat am anfang (1. Mose 1.1) lokalisiert die Äpfel als Früchte vom Baum der Erkenntnis, sodass die wahrheit wohl jene über die Unterscheidung von Gut und Böse sein könnte. Wir befinden uns im intertextuellen Kreis der Genesis; es geht also nicht um den Apfel, mit dem Paris die verhängnisvolle Wahrheit installierte, welche Göttin die Schönste sei, auch nicht um die ewige Jugend spendenden Äpfel des Hesperiden; es ist nicht jener erotische Apfel, mit dem in Vergils dritter Ekloge die schöne Galatea den Schäfer Damoetas bewirft, oder jener physikalische, den der Baum nach dem Haupte Newtons warf.
Die Äpfel als Obst und die Äpfel als Motiv einer Erzählung bzw. Objekt einer Allegorese werden im ersten Satz des Textes ident gesetzt; die Bewegung des Gedichtes, so könnte man grob zusammenfassen, ist der Versuch einer Entsemantisierung des Objekts: den Apfel von allem entkleiden, was nicht Obst ist, die Arbeit der Allegorese rückgängig machen, den Apfel freilegen. Hier erscheint einerseits das klassische Problem von res und verba, von Dingen und Worten, das sicherlich mehr ist als ein in allen Jahrhunderten beliebter europäischer Denksport; hier erscheint auch eine Aufgabe der Kunst, wie sie etwa Viktor Šklovskij mit dem bekannten Satz aus Kunst als Verfahren benannt hat: um das Empfinden des Lebens wiederherzustellen, um die Dinge zu fühlen, um den Apfel apfeln zu machen, existiert das, was man Kunst nennt. Diese Freilegung aber, darauf kommt es an, geschieht bei Steigenberger in Form einer sanften Archäologie, die sich als Gemeinschaftsarbeit (vgl. den Exhortativ sprechen wir) gegen die Gemeinschaftsarbeit der Aufladung mit neben / bedeutungen positioniert, es geschieht nicht in Form eines Handstreichs, die die Unmittelbarkeit des Apfels erzwingen will.

Zwei Folien also: Paradies und Handstreich. Die Erzählung vom verbotenen Baum der Erkenntnis glänzt durch biblische Lakonie, die in einem kaum abschätzbaren Verhältnis zur Breite ihrer jahrtausendelangen Rezeptionsgeschichte steht. Zur Erinnerung sei der kurze Passus in Luthers 1545er-Fassung noch einmal zitiert:

DA sprach das Weib zu der Schlangen / Wir essen von den früchten der bewme im Garten. Aber von den früchten des Bawms mitten im Garten hat Gott gesagt / Esset nicht da von / rürets auch nicht an / Das jr nicht sterbet. Da sprach die Schlang zum Weibe / Jr werdet mit nicht des tods sterben / Sondern Gott weis / das / welchs tags jr da von esset / so werden ewre augen auff gethan / vnd werdet sein wie Gott / vnd wissen was gut vnd böse ist. VND das Weib schawet an / das von dem Bawm gut zu essen were / vnd lieblich anzusehen / das ein lüstiger Bawm were / weil er klug mechte / Vnd nam von der Frucht / vnd ass / vnd gab jrem Man auch da von / Vnd er ass. / Da wurden jr beider Augen auffgethan / vnd wurden gewar / das sie nacket waren / Vnd flochten Feigenbletter zusamen / vnd machten jnen Schürtze. (1. Mose 3, 2-7)

Von dieser Frucht, diesem Apfel also hängt die gesamte Erzählung des menschlichen Erkennens und seiner strukturellen Nachteile ab. Zudem sei bemerkt, dass die Paradiesesszene ein dichtungsgeschichtlich einschneidendes Datum (1. Mose 2, 19-20) enthält, noch vor der Vertreibung und einen Vers vor der Erschaffung Evas, namentlich die Benennung der Wesen durch Adam, die Geburtsstunde der berühmten adamitischen Ursprache (deren Erschaffung und Entstehung, die ohne Zutun Gottes abgelaufen ist, nicht näher beschrieben wird). Diese Sprache verbürgt die totale Deckung von Signifikant und Signifikat, kurz: der Name hat nicht nur irgendetwas mit dem Ding zu tun, sondern alles. Es ist eine Sprache der Tatsächlichkeit, die erst in Babel zersplittert: wodurch überhaupt erst Konsensschaffung in sprachlichen Angelegenheiten nötig wird. Die adamitische Tatsächlichkeit ist nicht zuletzt der Horizont etwa auch der Dichtung äpfel und wahrheit, in der (bzw. im Gespräch im Anschluss an das Gedicht, das von den letzten Versen impliziert wird) der Apfel erscheinen soll – zu diesem Zweck muss er den Bereich der post-babylonischen Sprache verlassen und als Ding hervorgetrieben werden.

Nun Handstreiche solcher Hervortreibung. Bekanntlich sind Äpfel Rosengewächse und das wird man bei einem sorgsam arbeitenden Dichter wie Armin Steigenberger kaum als Zufall verbuchen dürfen, da eben Rosengewächse, in der Hauptsache Rosen selbst, die Objekte dreier exemplarischer Episoden jenes handstreichartigen Rückbaus von angelagerter Semantik gewesen sind. (Vermehrtes Fruchtfleisch im Apfel, sei willkommen!)
Handstreich einerseits als schiere Leugnung von Bedeutungssediment: so etwa im Cherubinischen Wandersmann des Angelus Silesius, dessen wohl berühmtestes Gedicht (I.289) lautet:
Die Ros' ist ohn warumb | sie blühet weil sie blühet |
Sie achtt nicht jhrer selbst | fragt nicht ob man sie sihet.

Die im Gedicht so pur gehaltene Zeichnung der Pflanze als Pflanze erstreckt sich bei Silesius auf den christlichen Programmgehalt der Beziehung zwischen Gott und dem Menschen. Geht man im Wandersmann ein Gedicht zurück zur I.288, ersieht man schnell die Bedeutung, die auch in der scheinbar fraglosen Blume eingespeichert ist:
Jhr Menschen lernet doch vonn Wisenblümelein |
Wie jhr könt Gott gefalln | und gleichwol schöne seyn.
Das fehlende Warumb entlarvt sich als ein Teilaspekt der Pflanze: ohn warumb ist sie vor den Augen des Menschen und seines Räsonierens, ihren Grund und ihr Ziel aber hat sie im Wohlgefallen Gottes. (Als Echo schleichen sich Thomas Bernhards Alte Meister ein und der dort verdächtig kurze Satz: Dieses „nichts ist ohne Grund“, ist das Lächerlichste, so Reger.)

Handstreich andererseits als Setzung und Insistenz des Ich, iterative Litanei über die große Hoffnung, jedes Ding möge mit sich selbst identisch sein: so etwa im Gedicht Sacred Emily von Gertrude Stein aus dem Band Geography and Plays. Der schon so vielfältig besprochene Vers
Rose is a rose is a rose is a rose
steht in diesem Text nicht allein, sein Exerzitium kehrt häufig wieder, Foolish is foolish is, und so weiter. Zugleich untergräbt das Gedicht die Dynamik, die diesem Vers immer wieder zugesprochen worden ist, indem gleich darauf die traditionellste Deutung mit dem Holzhammer nachgetragen wird:
Rose is a rose is a rose is a rose.
Loveliness extreme.
Das lässt sich freilich als Ironie lesen – und bestärkt den Impetus des Textes, die Rose als literarisches Motiv zu untergraben und als tatsächliche Pflanze zurück in ihr Recht zu setzen. Ironie, auf deren Goldkante so entscheidend die Richtung der Aussage gelegt wird, ist freilich immer problematisch. Wenn es in jenem Rosen-Vers tatsächlich um die Befreiung von einem „Ballast“ literarischer Nebenbedeutungen geht, so hätte es wohl auch die extrafeine Ironie (als solche Ironie klassifiziert Friedrich Schlegel das Beispiel mit einer guten Art einen Tritt in den Hintern geben) von Ernest Hemingways berüchtigtem Kommentar zum Rosen-Vers getan:
a bitch is a bitch is a bitch.
[Wie stark in solche Prozesse der Semantisierung und ihrer Zerlegung jederzeit die Gattungserwartung der sog. Hohen Literatur eingebunden ist, macht ein Blick auf den sicherlich nicht auf Hemingway anspielenden Vers von Clifford James Smith deutlich:
a bitch is a bitch and is always a bitch.
Das Spiel von abgebauter Bedeutung stellt sich hier gar nicht erst ein, weil nicht der Vertrauenskredit an das Hohe Kunstwerk in Anschlag gebracht wird; Anteile von Konzeptkunst überall; die Leichtigkeit alles Konzeptkunstartige einem Anteil an Vakuum zu überführen.]

Wie dem auch sei, die im Vers so pur gehaltene Zeichnung der Pflanze als Pflanze zeigt bei Stein auf den modernen Programmgehalt eines Künstlers, der die historischen Bedeutungsaspekte seiner Wörter verneint; mithin die Behauptung, die Instanz der Sprache auf eigene Faust durchstreichen und zum Zusammenbruch bringen zu können. Es erinnert ein wenig an den Witz von dem Mathematiker, der auf einsamer Insel, ausgerüstet mit Konservendosen, aber ohne Dosenöffner, deshalb nicht verhungert, weil er die Dose als offen definiert. So schnell kann es nicht gehen, so wird nur ein Mythos durch einen anderen ersetzt.
Welcher Mythos? Der des monolithischen Künstlers selbst, dessen Romantik sich nicht nur gehalten, sondern immer ungeheuerlichere Dimensionen angenommen hat. Die Avantgarde, also jene militärische Vorhut mit dem stehenden Befehl der Innovation als Modernisierung, hat sich im Bereich des Spiels mit der Semantik gerade da, wo diese Semantik historisch ist bzw. hauptsächlich aus dem historischen Verlauf selbst besteht, überschätzt. Der Aberglaube, in den diese Zusammenhänge verstrickt sind, ist natürlich auch ein Ergebnis der Geschichtsschreibung, die nur aus Speerspitzen besteht und scheinbar hinter der Vorhut keine Hauptstreitmacht ausmachen kann. Ein Schibboleth solchen Aberglaubens ist die oftmals gehörte Phrase, dies oder jenes gehe nicht mehr. Man kennt die Formulierung zur Genüge: xy gehe nach z nicht mehr, wobei xy meist ein ästhetisches Verfahren, z aber den Namen eines Helden der Moderne nennt. Im Zuge einer Dynamik der Erledigung, des Abarbeitens von theoretischen Problemen im Vollzug der Kunst der Moderne, kann ich mir die Stimme gut vorstellen, die behauptet, ein Gedicht der Rosengewächsrückgewinnung gehe nach Stein nicht mehr, gehe gar gaahnich mehr. Und wie das geht, runder sogar, weil nicht handstreichartig, das zeigt uns Armin Steigenberger.

Handstreich! Die letzte Variante schließlich, dies nur als Andeutung und Exkurs, wäre der Abschied aus den Namen überhaupt, der mit dem Selbstverlust einhergeht, mit der Vernichtung – eine Option, die selbst den entschiedenen Willen, sich aus allen semantischen Vorprägungen zu verabschieden, mit Skepsis und Zögern füllt. So sagt etwa bei Shakespeare Julia zu Romeo (II.2)
O Romeo, Romeo! wherefore art thou Romeo?
Deny thy father and refuse thy name
[...]
What’s in a name? that which we call a rose
By any other name would smell as sweet.

Der wiederholte Ausruf des Namens, auf den die Bezweiflung des Namens folgt, öffnet das ganze Drama der Bedeutung dessen, was in einem Namen ist; bekanntlich schließlich mit Tod und allem Zubehör. Diese Aussagen Julias unterbricht selbst Romeo, der nun nicht gerade den guten Ruf eines Chefsemiologen von Verona innehat, mit einem zögernden, beiseite gesprochenen Satz:
Shall I hear more, or shall I speak at this?

Im Hören und Sprechen, kurz: im Gespräch kann die Lösung für das Problem liegen, den Apfel Apfel sein zu lassen, ohne den einen Handstreich gegen den anderen zu wischen, letzten Endes nicht klüger geworden und immer noch genauso fern vom Apfel (zu tief im Hirn, zu schmal im Apfel). Das zeigt also das Gedicht von Armin Steigenberger, in unaufgeregter, nachvollziehbarer Form. Die Rückgewinnung des Apfels ist hier gleichwertig mit der Rückgewinnung des Paradieses, in dem der Apfel weder wächst, noch gepflegt werden muss, sondern als Objekt unseres Genusses bereits fällt. Auch dass die volle Rückgewinnung des Ursprungs gemeint ist, wird im Apfel deutlich: dann ginge es um den Einzug in ein neues Paradies oder Goldenes Zeitalter, so hätte man, ohne die entsprechende Obstmetaphorik verlassen zu müssen, auch zu Orangen greifen können, wie sie etwa wunderbar bei Hans von Mareés erscheinen; oder gleich in Liebe zu drei Orangen entflammen.

Das Gedicht äpfel und wahrheit demonstriert wie viele Gedichte des Bandes die fortsetzung des glücks mit anderen mitteln eine Dynamik der Offenlegung und Aufklärung, ohne gewaltsam zu entblößen oder zu entlarven. Eine der Techniken, die das bewerkstelligen und die mir als eine der Haupttechniken zu dieser Form der Darstellung und Archäologie erscheinen, ist der sogenannte Steigenbergerische Refrain. Mit dieser Prägung bezeichnet die neuere germanistische Literaturwissenschaft die Inszenierung einer Bedeutungsverschiebung durch Wortwiederholung, die nicht traditionell-modern sprachkritisch oder -destruktiv aus dem Grundsätzlichen agiert, sondern die Relativität und etwaige Abhänglichkeit einer bestimmten Bedeutung zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzeigt. Kurz, eine Arbeit nicht gegen die Sprache, sondern mit und in der Sprache. Ein Steigenbergerischer Refrain weist also grundsätzlich auf eine Mechanik der Bedeutungserzeugung und -vereinbarung; hierzu bedarf es auch der Inszenierung einer Diachronie, in der sich die thematische Denkbewegung vollziehen kann. äpfel und wahrheit kann als Beispiel dieser Refraintechnik auf kleinstem Raum dienen; hier betreffen die Technik nur einzelne Worte, wie sie andernorts im Band auch Wortverbindungen betreffen kann.
Die Gegenstände des Refrains lassen sich mit den Titelworten identifizieren, wenn auch die wahrheit im Gedichtkörper implizit bleibt. Die effektive, tatsächliche wirksame Wahrheit im Gedicht verschiebt sich vom Verdammnisfluch Gottes hin zum diskursiv hergestellten Konsens, von welchen Äpfeln die Rede sein soll und welche Eigenschaften ihnen zukommen. Mit dieser Bewegung ist auch gleich die temporale Bewegung der Diachronie im Gedicht benannt: sie setzt einen kurzen Hauch nach dem anfang der Genesis ein, als sich nämlich die neben / bedeutungen stabilisiert haben, führt über die Sprechgegenwart des lyrischen Ichs, und mündet einen kurzen Hauch nach dieser Sprechgegenwart, nämlich nach dem Ende des Gedichtes, gleichsam im Weiß, in dem sich das exhortative wir erst im Verbund und Gespräch mit dem Leser realisiert. Der Einfluss des Refrains auf die Bedeutung der Äpfel schlägt sich nun nicht nur in den Propositionen des Gedichtes nieder, sondern lässt sich auch im grammatischen Detail ablesen, in der Wellenbewegung der Konkretisierung und Dekonkretisierung des Demonstrativums: die äpfel – diese äpfel – äpfel.

Die verschiedenen Bedeutungen in den verschiedenen Phasen des Steigenbergerischen Refrains werden nun verschieden präsentiert: zuerst intertextuell (am anfang) als Früchte vom Baum der Erkenntnis, zum Ende expressis verbis als süß, dunkelrot und italienisch. Die Bedeutung, die den Äpfeln in der gesamten Zwischenzeit zukommt, wird nicht nur als neben / bedeutung marginalisiert, sondern komplett ausgeblendet, nicht benannt. Dass sie dennoch präsent ist und durchaus präzise aus dem biblischen Vektor hervorgeht, macht den Witz des Gedichtes: es ist Gemeingut. Die Geschichte von Sündenfall und Urschuld, von der Verführung Evas und Evas Verführung, vom Zorn Gottes, vom (gottverdammten!) Schweiße des Angesichtes, vom Tod nicht zuletzt, und so weiter (es wurde ja oben zitiert), ist dem Gedicht eingeschrieben; die Auswirkung der Allegorese dieser Geschichte ist in diesen Breiten jedem Gesellschaftsteilnehmer bei jedem Atemzug präsent. Die kleinen Varianten, die immer wieder als Kuriositäten auftauchen, fallen hier kaum ins Gewicht; oder denkt tatsächlich jemand an Bilder wie den Kupferstich von Marcantonio Raimondi, um 1513, auf dem ein kecker, spitzbärtiger Adam in großartiger Verdrehung die Äpfel der eleganten Eva ihm gegenüber anbietet?


Marcantonio Raimondi (nach Raffael):
Adam und Eva, ca. 1512-14. Kupferstich.

Vor diesem Hintergrund nimmt auch der Titel noch zwei weitere, aufeinander bezogene Bedeutungen an. Einerseits breitet die Kombination von nun rein-obstigen Äpfeln und großer, religiös gedeckter Wahrheit eine geradezu (wiederum nach Schlegels Über die Unverständlichkeit) grobe Ironie über letztere. Andererseits zeigt der alles in Titel und Gedicht potenziell erfassende Mechanismus des Steigenbergerischen Refrains, dass die abgebildeten Veränderungen der Bedeutung, ja der Substanz auch auf die vermeintlich invariante Größe der Wahrheit wirken; sie erweist sich, mit Nietzsche zu reden, als ein bewegliches Heer von Äpfeln.

Die eigentliche Ansammlung von Bedeutungssediment vollzieht sich also im Gespräch des Lesers mit seinem Gedächtnis (wo sonst sollte man es lokalisieren?); die Freilegung des eigentlichen Apfels vollzieht sich als Einladung des lyrischen Ichs zum Gespräch von Text und Leser. Damit ist das Biotop einer Arbeit an der Semantik überhaupt erst geschaffen. Dass dafür im Ausklang mit obstbäumen, mit den Adjektiven süß, dunkelrot und italienisch, mit dem weit offenen Verhandlungsspielraum des beispielsweise eine durchaus arkadische Szenerie geschaffen wird, ist sicherlich keine Übertreibung oder Idealisierung von Seiten des Autors, sondern vielmehr in seiner Utopie (um sachgerecht mit Worten aus der Liturgie zu schließen) würdig und recht.


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