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Alfred Kubin: Die Außenwelt

Memo/Essay > Memo

Alfred Kubin
"Die andere Seite" (3, 2, 1)

(1909)


Man war in der zivilisierten Welt etwa zwölf Jahre lang in Unkenntnis von dem Bestehen des Traumlandes geblieben. Gewiß, es kamen Fälle vor, daß Personen plötzlich auf unerklärliche Weise verschwanden. Wohl wurden viele noch auf Bahnen und Schiffen gesehen, später aber blieb jedes Nachforschen ohne Ergebnis. Solange es sich um Leute handelte, die auf irgendeine Art mit dem Kulturleben zerfallen waren und Grund hatten, sich zu verbergen, machte man wenig Aufhebens. Für bankerotte Menschen hat die Welt geringes Interesse übrig.
    Weit empfindlicher wurde die Gesellschaft getroffen, als anerkannte Mitglieder der Gelehrten-, Künstler- und Finanzkreise zu rätselhaften Flüchtlingen wurden. Meist erhielten die Angehörigen zwei bis drei Wochen nach Abgang des ungetreuen Familienmitgliedes noch ein Lebenszeichen - wenigstens einen Brief mit ein paar Zeilen. Aber was ließ sich daraus entnehmen, wenn es hieß: "Forschet nicht nach mir, ich bin gut aufgehoben" oder "Eingetretener Umstände halber muß ich dich bitten, auf meine Hand zu verzichten" oder "Verzeihet alle, ich kann nicht anders".



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