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14 Pinselnotizen - 7

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14 Pinselnotizen
aus dem Yue wei caotang biji
("aus der Strohhütte der Betrachtung des Unscheinbaren”)

des Ji Yun (Ji Xiaolan, 1724-1805).
Übersetzung: Rupprecht Mayer

7)

Guo Shizhou berichtet von einem reichen Mann in Henan, der nach einer Beamtenkarriere in sein Heimatdorf zurückgekehrt war. Er war schon über sechzig Jahre alt, doch gesund und kräftig wie ein junger Mann, und hielt sich stets drei oder vier junge Nebenfrauen. Wenn sie zwanzig wurden, dann gab er ihnen eine Aussteuer und verheiratete sie. Sie waren dann alle noch Jungfrauen. Ihre Männer priesen dann im Geheimen seine Tugend, und viele verkauften ihre Töchter mit Vorliebe an ihn. Doch während sie in seinem Haus lebten, teilten sie sein Lager, und er war intim mit ihnen, wie bei normalem Leuten. Manche glaubten, er habe es nur auf ihre Monatsblutung abgesehen, um sich daraus Medizin zu machen, andere glaubten, er würde sich nur an ihnen erfreuen, verfüge aber über keine Manneskraft mehr. Niemand kam der Sache auf den Grund. Später aber plauderten die Dienstmägde seines Haushalts das Geheimnis aus: er verkehrte mit den Frauen, wie man mit Jünglingen Unzucht treibt. Als ihn ein alter Freund unter vier Augen fragte, ob das stimme, da gab er es unumwunden zu. Er meinte: “Meine Blutkräfte sind noch stark, ich kann meiner Begierde noch nicht entsagen. Wenn ich mit Frauen verkehre, dann können sie noch Kinder bekommen, aber ich fürchte, dass diese nach meinem Tod zu einer Belastung würden. Wollte ich Jünglingen nachstellen, dann würde ich fürchten, daß man mich ein Schwein schimpft, es würde daraus eine Schande für meine Söhne und Enkel. Deswegen bin ich auf diesen Schleichpfad gekommen.” Es ist das eine wunderliche Erfindung, seit den ältesten Zeiten hat man so etwas nicht vernommen. Nun ist in den Frauengemächern ja alles Mögliche denkbar, was im Bett passiert, das braucht man nicht tiefschürfend zu erörtern. Nur, Jahr für Jahr eine Frau gegen eine neue zu tauschen, so dass Mädchen aus ehrbaren Familien später mit dem Ruf leben müssen, zum zweiten Mal verheiratet zu sein – damit fügt man, wie es aussieht, doch Menschen Schaden zu. Doch dabei ihre rechtzeitige Verheiratung nicht zu behindern und ihnen ihre Jungfräulichkeit nicht zu nehmen, das erscheint wiederum als eine gute Tat. Bei so einem Fall kann man letztlich kein Urteil über Recht und Unrecht fällen. Mein älterer Kollege Ge Jiezhou meinte: “Das Urteil ist in Wirklichkeit sehr einfach. Der Mann hat sich, gestützt auf seinen Reichtum, einer Art von Unzucht hingegeben, die vom Gesetz nicht erfasst wird. Als früher Dou Erdong die Leute beraubte, da ließ er ihnen stets etwas Kleidung gegen die Kälte und ausreichend Geld für die Heimreise. Das rechnete er sich dann als gute Tat an. Die guten Taten jenes Alten sind von der selben Art.”
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